Erkner ehrt den Chemiker Dr. Hans Lebach

Dr.-Hans-Lebach-StraßeSeit Anfang Januar 2020 hat Erkner eine „Dr.-Hans-Lebach-Straße“! Die bisherige Querstraße der Berliner Straße an der Tankstelle, die etwa das ehemalige Werk II der Bakelite Gesellschaft mbH Erkner (heute Prefere Resins) in Richtung Berlin begrenzt, erhielt den Namen des jüdischen Chemikers und Kunststoff-Erfinders, der seit 1910 einer der ersten Mitarbeiter der Bakelite GmbH war und bis zu seiner Vertreibung 1938 in Erkner wohnte.

Die offizielle Benennung der Dr.-Hans-Lebach-Straße wird am 28.02.2020 um 12:30 Uhr im Rahmen unseres 15. Baekelandtages erfolgen. Sie sind recht herzlich dazu eingeladen!

Wer war Dr. Hans Lebach?

Auf den Spuren eines fast vergessenen Kunststoff-Erfinders
Von FRANK RETZLAFF, Historisches Stadtarchiv Erkner und CFE
Aktualisierte Fassung vom Februar 2020

In den letzten Wochen des Jahres 2019 wurde in verschiedenen Medien bereits mehrfach mitgeteilt, dass demnächst in Erkner eine Straße neu benannt werde. Die bisher zur Berliner Straße gehörige Querstraße östlich der Tankstelle solle ab dem 1. Januar 2020 den Namen „Dr.-Hans-Lebach-Straße“ erhalten.

„Wer war das?“ Immer wieder wurde mir seitdem diese Frage gestellt. „Den kennt doch keiner!“ Genau das ist das Problem. Bei Wikipedia gibt es (noch) keinen Artikel über ihn, im Internet landet man meist nur bei der Stadt Lebach. Das war mal ganz anders! Und gerade in Erkner sollten wir das wieder ändern. Denn so, wie wir uns inzwischen wieder an Leo H. Baekeland erinnern, sollte auch Hans Lebach vor dem Vergessen bewahrt werden – zumal er in Erkner gelebt hat. Vor hundert Jahren wurden beide meist ebenbürtig genannt, wenn es um Kunststoffe ging, was damals noch meist mit Bakelit gleichgesetzt wurde. Beide stehen am Beginn dieser Geschichte, am Anfang des Kunststoffzeitalters!

Als Dr. Hans Lebach (1881-1961) 1910 vom Rhein nach Erkner übersiedelte, hatte er gerade einen heftigen Patentstreit mit Leo H. Baekeland hinter sich – nicht ohne Erfolg, wie seine Anstellung als Chemiker bei der soeben gegründeten Bakelite GmbH Berlin Erkner zeigt.

Er wurde 1881 in Elberfeld (heute Wuppertal) als Heinrich Lebach geboren, nannte sich aber fast immer Hans. Er wuchs in einer bürgerlichen jüdischen Familie mit sieben Söhnen auf, unter denen er der einzige war, der Naturwissenschaften studierte und nicht ins väterliche Textilunternehmen eintrat. 1899 schrieb er sich an der Universität Heidelberg ein, wo er auch 1904 promovierte. Zwischenzeitlich studierte er drei Semester in Berlin. Sein Doktorvater Prof. Knoevenagel (1865-1921) forschte im engen Kontakt zur Industrie und führte Lebach wahrscheinlich bei der Firma Knoll & Co. (heute: AbbVie Deutschland) im nur ca. 25 km entfernten Ludwigshafen ein, die ihren Schwerpunkt eigentlich in der Pharmazie hatte (u.a. Codein), aber ihre Forschung auch auf andere Bereiche ausdehnte und erfolgreich Patente verkaufte.

Im Frühjahr 1909 hielt Lebach vor der Chemischen Gesellschaft zu Heidelberg einen Vortrag „Über Resit“, von dem wenige Tage später die Chemiker-Zeitung berichtete. Der Inhalt dieses Vortrags erinnert in wesentlichen Aspekten an Baekelands Artikelserie „Bakelit, ein neues synthetisches Harz“, die kurz zuvor von dieser Zeitung veröffentlicht worden war. Baekeland reagierte prompt – monatelange Auseinandersetzungen in Fachzeitschriften und Patentklagen gegen Lebach und die Firma Knoll & Co. folgten. Baekeland konnte sich aber nicht durchsetzen. Es stellte sich heraus, dass Lebach – parallel zu Baekeland in den USA – in Deutschland etwas erfunden hatte, das dem Bakelit sehr ähnlich war. Die Firma Knoll & Co. hatte sogar ihre Patente etwas eher für Deutschland angemeldet als Baekeland seine für die USA! Erst ein Kompromiss beendete den Konflikt. Über ein Jahr später war Lebach ab Herbst 1910 Mitarbeiter und Knoll & Co. (neben Baekeland, den Rütgerswerken und mehreren kleinen Gesellschaftern) Teilhaber der Bakelite GmbH Berlin Erkner, der am 25. Mai 1910 gegründeten ersten Kunststofffabrik der Welt.

Für die hiesige Bakelite GmbH errichtete Lebach in den nächsten Jahren u.a. Tochterfirmen von Berlin bis Nordamerika, 1911 als erste die Bakelite Ltd. in London. Seine Vorbereitungen für eine „La Bakélite“ in Frankreich scheiterten mit dem Kriegsbeginn 1914. Unmittelbar zuvor konnte er noch London verlassen und wurde bis 1918 an verschieden Frontabschnitten eingesetzt. Die bisher bekannte Behauptung (so auch in Baekelands Tagebüchern), er wäre die gesamte Kriegszeit auf der Isle of Men interniert gewesen, hat sich inzwischen als falsch erwiesen!

Mit Beteiligung der Bakelite GmbH gründete Lebach 1922 auch die Säureschutz GmbH in Berlin-Altglienicke, die auf der Basis von Bakelit säurebeständige Beschichtungen für Großbehälter der Industrie (z.B. Chemie-, Textil- oder Getränke-Anlagen) produzierte, patentiert als „HAVEG“. Diese Firma existierte bis 1999, ihre Nachfolgerin auf diesem Gelände – die CAM Chemieanlagenbau GmbH Tankanlagenbau – hat übrigens den Tank für die neue Formaldehydanlage der Prefere Resins am Ende der jetzigen Dr.-Hans-Lebach-Straße, zwischen Bürogebäude und Bahnanlagen, errichtet.

Anfang Januar 1933 reiste Lebach in die USA, um dort eine weitere Tochterfirma für die HAVEG-Produktion aufzubauen. Als er Monate später in seine Heimat zurückkehrte, wurde auch ihm als Juden das Leben immer schwerer gemacht. Bis Anfang 1938 blieb er aber einer der Geschäftsführer der Säureschutz GmbH, wurde dann ins KZ Dachau verschleppt und musste mit seiner Frau Deutschland im Oktober 1938 – also kurz vor den November-Pogromen – verlassen. Mit Unterstützung der US-Bakelite (Baekeland selbst gab eine finanzielle Garantie für die Reisekosten und bürgte für ihn bei der Einreise) flüchtete er über Kuba in die USA. Dort wurde Lebach Chef-Chemiker der von ihm 1933 aufgebauten Firma Haveg Corp. in Marshallton, Del., bis er 1953 mit 72 Jahren in den Ruhestand ging. Er sah Erkner und Deutschland nicht wieder und starb 1961 in den USA.

Hans Lebach war mit Pauline (Paula) Rosenstiel (1892-1969) verheiratet. Sie hatten keine Kinder und wohnten in Erkner viele Jahre im Haus Hübnerstr. (heute Fürstenwalder Str.) 18. Zuletzt hatten sie ein Haus in der Buchhorster Str. 48 gekauft, eines der sog. „Starenkästen“-Häuser.

In Erkner erinnerte bisher nichts an Hans Lebach. Es gibt (noch?) keinen Stolperstein für ihn, im Erkneraner Heft über das jüdische Leben in Erkner wird er nur kurz genannt. In der Fachliteratur findet man bestenfalls noch in Fußnoten Verweise auf seine Artikel oder Patente. Seit Mitte der 1930er Jahre wurde er kaum noch erwähnt. Nach seiner erzwungenen Ausreise entzogen ihm die Nazis nicht nur seine ganzen finanziellen Mittel und die deutsche Staatsbürgerschaft, sondern auch seinen Doktortitel. Geblieben sind aber z.B. die von Lebach geprägten Fachbegriffe Resol, Resitol und Resit, die heute meist ohne Hinweis auf ihn in der Fachliteratur genutzt werden. Die jetzt nach Hans Lebach benannte Straße befindet sich ungefähr an der Grenze der ehemaligen Kugellagerfabrik und dem Werk II der Bakelite GmbH (heute Prefere Resins), die kurz vor Lebachs Vertreibung aus Deutschland im Sommer 1938 ihre Produktion aufgenommen hatten. Wenn wir im Jahr 2020 an die „111 Jahre Bakelit aus Erkner“ erinnern, soll dies auch im Andenken an den Kunststoff-Erfinder und langjährigen Erkneraner Bürger Dr. Hans Lebach geschehen!

Erkner, Februar 2020

Sie möchten noch mehr wissen?

Einen ausführlichen Überblick über das Leben von Dr.-Hans-Lebach gibt Frank Retzlaff beim 15. Baekelandtages am 28.02.2020 ab 14:30 Uhr im Bürgersaal der Rathauses Erkner. Sie sind recht herzlich dazu eingeladen! [Details]